Volksbühnen-Tage 2024: Die Nicht-Anerkennung der Nakba im öffentlichen Diskurs und Leben
Sarah El Bulbeisi im Gespräch
Die Massenvertreibung von 1947/48 markierte für die Palästinenser*innen ein kollektives und individuelles Trauma. Ca. 800’000 Palästinenser*innen, das war die Hälfte der damaligen Bevölkerung, wurde aus ihrer Heimat vertrieben. Die Nakba steht zwar in engster Verflechtung mit der Geschichte des Deutschen Nationalsozialismus, bis heute wird sie aber nicht nur nicht als Teil der europäischen Geschichte erinnert, sondern auch aus dem kollektiven Gedächtnis und öffentlichen Diskurs ausgegrenzt.
Das Tabu der traumatischen Gewalt gegen Palästinenser*innen ist in Deutschland und der Schweiz tief verankert. Die nicht Anerkennung ihrer Vertreibung führte zu einer Verneinung ihres Seins, ihres Schmerzes, zu einem nicht Vorhandensein, das über Generationen weitergegeben wurde.
Sarah El Bulbeisi spricht über die Folgen der Tabuisierung der Nakba für Palästinensischer*innen in Deutschland und der Schweiz. Sie berichtet wie für Palästinenser*innen im Exil und ihre Kinder die Gewalt nach ihrer Vertreibung anhält. Weil die koloniale Erfahrung im historischen Palästina, die Zerstörung der palästinensischen Gesellschaft und Identität im Exil auf einer symbolischen Ebene fortgesetzt und wiederholt wurden.
Das Tabu von ‘Palästinensisch sein’ entspringt nicht nur der Verdrängung unbewältigter Schuld an der Shoah, es ist auch Ausdruck einer Ideologie weisser Vorherrschaft die nicht als solche erscheinen will.
Ihr Buch “Tabu, Trauma und Identität: Subjektkonstruktionen von Palästinenser*innen in Deutschland und der Schweiz, 1960-2015”, basiert auf Gesprächen, Lebensgeschichten und teilnehmender Beobachtung und erforscht die Auswirkungen der Tabuisierung palästinensischer Gewalterfahrung und Identität auf Palästinenser*innen in Deutschland und in der Schweiz.
Sarah El-Bulbeisi studierte an der Universität Zürich. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Nah- und Mitteloststudien der Ludwig-Maximilians-Universität in München und leitete das DAAD-Projekt »Gewalt, Zwangsmigration und Exil: Trauma in der arabischen Welt und in Deutschland«, einen Hochschuldialog zwischen palästinensischen und libanesischen Universitäten sowie der LMU München. Seit 2019 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Orient-Institut Beirut tätig, mit den Schwerpunkten Postcolonial Studies, Gender Studies und Psychoanalyse.
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Die Volksbühnen-Tage wollen einen Raum schaffen, in dem es möglich ist zu reden, sich auszutauschen, zu denken, zu suchen, Widersprüche auszuhalten und frei zu sprechen – ausserhalb der Polarisierung und der Kriegslogik. Einen Raum in dem die Menschen im Mittelpunkt stehen, ihr Schmerz, ihr Ringen um Perspektiven und der Gemeinsamkeiten. Ausserhalb der Rechtfertigung von Gräueltaten! Perspektiven in denen das Leben über dem Tod steht, Menschlichkeit und Solidarität über Ausgrenzung, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie.
Die Volksbühnen-Tage möchten Anteil nehmen, ohne Positionsdruck und Bekenntniszwang. Den Menschen Raum geben, die sich der Kriegslogik entziehen, das Entweder-oder zurückweisen und stattdessen um eine Haltung ringen, in der Menschlichkeit und Befreiung im Mittelpunkt stehen.
Die Volksbühnen-Tage möchten mit ihren Veranstaltungen in die Geschichte eintauchen, um das Heute zu verstehen und uns für ein Morgen mit Frieden, Gerechtigkeit und Gleichheit einsetzen, dass die Sicherheit für Jüd*innen und Palästinenser*innen gleichermaßen garantiert und immer mehr Menschen motiviert entschlossen gegen Faschismus, Ausgrenzung und Rassismus vorzugehen.
Eintritt: frei (Kollekte)
Datum
- 15. Feb 2024
- Abgelaufen!
Uhrzeit
- 19:30